Neeli Cherkovski

Neeli Cherkovski
Neeli Cherkovski
Neeli wurde 1945 in Santa Monica, CA geboren, wuchs aber in Santa Barbara auf, wo er als Fünfzehnjähriger mit Charles Bukowski in Kontakt kam. Die beiden verband eine lebenslange Freundschaft. Neeli schrieb auch eine Biographie über Bukowski, die dieser nicht besonders schätzte, aber das tat ihrer Verbindung keinen Abbruch. Seit 1974 lebt Neeli in San Francisco. Dort gehört er zur losen Gruppe der North Beach Poeten. Bisher hat er - teilweise in mehrere Sprachen übersetzt - 12 Bücher Poetry publiziert, daneben biografische Arbeiten. Sein Buch "Walt Whitmans wilde Kinder" wurde zu einem Beststeller der US-amerikanischen Untergrundliteratur. Darin schreibt er über seine Begegnungen mit vielen Größen der Beatliteratur (Ginsberg, Norse, Ferlinghetti,  Kaufman, Corso, ...)
Sein jüngster Gedichtband, Elegy For My Beat Generation, erschien 2018 bei Lithic Press.  

Werke

Fallendes Licht / falling light

 

Mit Neeli Cherkovski haben wir einen der renommiertesten Autoren in unserer Edition, worauf wir sehr stolz sind. Neeli, der in San Francisco lebt, zeigt sich in diesem Buch auch als Zeichner und Maler. Seine sprühende Phantasie kommt in seinen Gedichten und seinen Bildern ganz eindrücklich zum Ausdruck.

 

Seitenumfang: 116 S. Deutsch/Englisch

Übersetzer: Daniel Ostermann

Redaktion: Julia Kathrein

Umschlag: Yeti Hardcover mit Schutzumschlag fadengeheftet

Erste Auflage 2013: 200 Stück

ISBN: 978-3-9503559-7-0

Preis: 25,90

 

Rezensionen

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 1620 Helmuth Schönauer

Fallendes Licht / Falling Light 

 

Die raren Gedichtbände beinahe schon verlorengegangener Lyrik-Helden gleichen unauffälligen Meteoriten: Während Gras über ihren Einschlagkrater wächst, beginnen sie aus der schwarzen Antimaterie heraus zu funkeln.

Neeli Cherkovski, der alte Haudegen aus der kleinen Schar der Ur-Beatniks, hat mit seinem Band "Falling Light" einen solchen Meteoriten nach Europa gesandt, wo er in der Übersetzung "Fallendes Licht" im kleinen Zirler Verlag BAES gelandet ist. Elias Schneitter nennt denn auch den Autor "eines der letzten Blumenkinder der Poesie".

In der Sammlung "Fallendes Licht" sind nun knapp dreißig Gedichte ins Deutsche übersetzt, schön ausgewogen aufgeteilt in die unvergessliche Langform der Beatniks und in die Grabinschrift ähnliche Kurzform ihrer Spontanlyrik.

"Stille // Er riss ein / Blatt von dem Baum / rannte die Schlucht hinab / und hinterließ einen schweren / Umhang aus Stille" (17)

Diesen eruptiven Ein-Zeilern sagt man nach, dass sie oft ein ganzes Leben begleiten können bis hin zur gelungenen Erschöpfung des Poesie-Trägers unter dem Grabstein.

"Freude // Der junge Mann wartete / bis er ein alter Mann war / um seine kindliche Freude zu zeigen" (20)

Die längeren Gedichte kratzen durchaus am Essayhaften, da wird eine These mehrmals hin und her gedreht wie ein Werkstück, ehe es passt. "Das Denken ist, was sich an / Herbstfenstern weidet, du brichst / die düsteren Mauern auf und findest / ununterbrochene Zeit, Wahrnehmung / fließt in eine hohle Hand, / Freunde verschwinden, Ideen / suchen Unterschlupf, Gefühle / suchen Deckung, jeder Tod / schindet das Gehirn, du / hörst Zungen zittern und / Mauern zu Staub zerfallen." (8)

Und das wesentlichste Merkmal dieser Lyrik ist die permanente Aufbruchsstimmung, eine Art poetisches Zappel-Philipp-Syndrom. Umso bemerkenswerter ist dieser Aufbruch, wenn diese Reisen manchmal ein Ziel vortäuschen, und vollkommen aufregend wird es, wenn Innsbruck das Reiseziel eines Beatniks wird.

"es ist in Ordnung, nach vorne zu schauen / zu sagen, ich schreibe noch ein Buch, ich werde /

nach Innsbruck fliegen und meine Gedichte vortragen, / ich werde im Haus meines Freundes in den toskanischen / Hügeln schlafen, Kaffee als Belohnung im Morgengrauen / über Carraras marmornen Hügeln" (55)

In den Illustrationen kommen in Graffiti-schwerem Strich ganze Familienaufstellungen zum Vorschein, wobei der Tod oft den Vorsitz des Clans übernimmt. Manchmal sitzen Vögel auf den Köpfen der Protagonisten und weisen darauf hin, dass auch die Zeichnungen Lyrik sind. Und was sich in diesen Skizzen nicht eindeutig darstellen lässt, wird handfest mit Wörtern unterlegt, wie jener weiße Bart im Gesicht eines müden Helden, der einfach als weißer Bart beschrieben ist.

In einem Gespräch zitiert Neeli Cherkovski Friedrich Hölderlin als Leitstern der Poesie: "Dichterisch wohnt der Mensch auf dieser Erde!"

 

Neeli Cherkovski: Fallendes Licht. Falling Light.

Amerikan. und deutsch. A. d. Amerikan. von Daniel Ostermann.

Illustrationen von Neeli Cherkovski.

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Elias Schneitter.

 

 

Helmuth Schönauer 24/01/14

Standard vom 16.8.2014

Ich blicke in das Herz dieser Dinge

 

Hören, sehen und mit der Welt in Kontakt sein. Der seit 40 Jahren in San Francisco lebende

Neeli Cherkovski gab, gefragt, was jemanden zum Dichter mache, einmal genau das zur Antwort: „being with things“. Der 1945 geborene Lyriker, hinreißend verständlich schreibend, ist nicht nur ein hochkreativer Autor im Geist der Beats – und im Bezirk North Beach seiner Heimatstadt seiner menschenfreundlichen Aufgeschlossenheit halber weit- hin bekannt –, er ist zugleich ihr hochbelesener Zeitzeuge, Historiker und Biograf. Ebenfalls der seines langjährigen Freundes Charles Bukowski. Nun wird Cherkovski erstmals umfassend auf Deutsch in Daniel Ostermanns recht tonfallgetreuer Übersetzung als Poet präsentiert, zweisprachig – eine schöne, mit farbigen Zeichnungen illustrierte Entdeckung. Diese von ihm selbst getroffene Auswahl aus Altem und Neuem ist ein schöner wie kluger Querschnitt durch ein Werk, das aus zwölf Gedichtbänden und mehreren Biografien besteht – seine angekündigten Memoiren versprechen Spannendes. Es gibt dem Sprechgestus präzis folgende Langgedichte, lyrische Sehnsuchtserklärungen an die Liebe, Freunde, das irdische Leben, Hommagen an Ezra Pound wie auch Quasi-Haikus von großer Magie – das Gedicht Stille etwa: „Er riss ein / Blatt von dem Baum / rannte die Schlucht hinab / und hinterließ einen schweren / Umhang aus Stille.“

 

Alexander Kluy

Junge Welt Berlin vom 8.10.2014

Empfindsamer Oldie

 
Ein Band mit Gedichten von Neeli Cherkovski
 

Neeli Cherkovski ist ein trans­zendentalistischer Poet reinsten Wassers, ein Dichter also mit Herz, Sinn und Verstand, der seinen Garten bestellt und noch im Alter nach vorne schaut, wiewohl er weiß, »es ist nicht richtig«, und er »mehr hätte tun sollen, besser sein sollen«. »In diesem neuen Zeitalter des Prunks auf einem überfüllten Planeten«, dem allen Anzeichen nach kein gutes Ende bevorsteht, packt Cherkovski seine »Wut an der Gurgel« und umarmt sie »auf dem Sofa / im Wohnzimmer / unter der gelben Lampe, / neben einer Wand / aus Büchern.«

Den zahlreichen Jüngern Bukowskis hierzulande ist der Kalifornier kein Unbekannter mehr,  seitdem er vor Jahren dem älteren Freund eine Biographie (»Das Leben des Charles Bukowski«, Maro Verlag) auf den Leib geschrieben hat, die dieser allerdings nicht sonderlich geschätzt haben soll. Zudem versorgte Cherkovski das auf Beat Stories erpichte deutsche Publikum mit etlichen atmosphärischen Porträts weiterer Freunde und literarischer Berühmtheiten wie Harold Norse, Bob Kaufman, Gregory Corso, Allen Ginsberg und Lawrence Ferlinghetti (»Heartbeats«, Maro). Ebenfalls vor Urzeiten ist in einem schmalen Band der Berliner Literaturwerkstatt (»Slam!Poetry. Heftige Dichtung aus Amerika«, Edition Druckhaus Galrev) eine Auswahl seiner Gedichte abgedruckt worden.

Höchste Eisenbahn also, dass nun mit »Fallendes Licht/Falling Light« eine Sammlung dichterischer Exkursionen des empfindsamen Oldies erschienen ist, diesmal sogar in einer soliden zweisprachigen, fadengehefteten und überdies mit Zeichnungen des Autors versehenen Edition. Sie führen uns aus dem Schatten des Coit Tower heraus, der sich über North Beach erhebt, und aus den stillen Ecken des legendären Caffe Trieste, worin die Dichter, während sie italienischen Arien lauschen und Espresso trinken, immer noch standesgemäß auf die Erlösung warten, und sie machen zum Beispiel Halt auf der von amerikanischen Exilanten oft und gerne besuchten griechischen Insel namens Hydra, wo Leonard Cohen, Corso und Norse in einer baufälligen Villa hausten und wo Norse einst dem jungen Freund »einen Weg wies aus der Einsamkeit und zurück zum Selbst.« Auf einem Balkon in Griechenland  blickt er in das Herz der Dinge, »getünchte Fassaden, gekrümmte Gassen und die jadefarbene Ägäis« und denkt an den fernen Geliebten daheim. In Berlin steht er auf dem Dach der Synagoge in der Rykestraße, lässt den Blick wandern »zu dem Aschenreich und dunklen Wäldern« und hört unter einem Lindenbaum sitzend zu, »wie die Ödnis schmilzt«. Leicht und behende bewegt sich Cherkovski in einem Feld aus Bildern und wird somit dem von ihm zitierten Ausruf Hölderlins gerecht: »Dichterisch wohnet der Mensch auf dieser Erde!«