Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni (Foto (c) Dolores Rupa)
Urs Heinz Aerni (Foto (c) Dolores Rupa)

Urs Heinz Aerni (geb. 1962 in Baden / Aargau) schreibt als freier Journalist u. a. für Medien wie Buchreport, Berglink.de, Bündner Woche u. a., ist Literaturagent, Kulturvermittler und Vogelbeobachter. Zudem wirkt er bei den Literaturtagen Zofingen (Schweiz), sowie beim Literaturfestival Sprachsalz in Hall in Tirol mit und ist Kulturverantwortlicher des Hotels Schweizerhof in Lenzerheide. Aerni ist Vorstandsmitglied des Literarischen Clubs Zürich und des Bodoni-Clubs Frauenfeld. 

 

Bibliografie (Auswahl): "Liebe 160», 2003, Nagel & Kimche (Hrsg.); «Wunschkolumen» 2007, Einfach Lesen Bern, mit Rolf Lyssy; «Bivio – Leipzig», 2010, Knapp Olten; «Zürich Quiz», 2013, Grupello Düsselsdorf; «Der Fluss, unbekümmert», 2014 (Mit-Hrsg.) Modo Freiburg; «Zimmerservice», 2015, (Hrsg.) Knapp Olten; «Graubünden Quiz» 2020, Grupello Düsseldorf. 

 

Weitere Informationen und Kontakt: www.ursheinzaerni.com

 

Urs Heinz Aerni

 Lugano - Konstanz mit Umwegen nach Innsbruck, Lenzerheide, Nonnenhorn und ...

 

ISBN: 978-3-9504833-3-8

Preis: € 14,90

 

 

Lugano -- Konstanz


Die Schweizer Literatur ist ein einziges Kleinod! Für die Abrundung dieser Würdigung braucht es dann noch die Begriffe pingelig, verschmitzt-kindlich und unschuldig-intellektuell. Die ideale Erzählposition für die Schweizer Literatur ist immer noch das Traumpaar Heidi / Oheim. Die eine fragt klug, und der andere antwortet altklug.

Urs Heinz Aerni ist ein Buchbesessener, der mit Händen und Füßen Themen zusammenträgt, um daraus ein Buch zusammenzustellen. Seine Genre-Beschreibung für dieses Tun nennt er "eine Art Feuilleton oder Sammelsurium als Buch". Da Literatur zudem überall auftreten kann, wird man ihrer nur Herr, wenn man mit ihr eine Lesereise plant. Lugano -- Konstanz ist also eine Art Fahrplan für Lektüre. Aufregend, dass dabei das stille Leseörtchen Innsbruck dabei ist.

Einem Buchfan macht es nichts aus, wenn man die angebotenen Bücher mit starken Wörtern auffrisiert, ja selbst das Klischee nimmt er in Kauf, wenn dadurch jemand ins Innere eines Buches gelockt werden kann. Auch hier gilt die kluge Schweizer Tugend: Promotion darf wie ein Schweizermesser alles, wenn dadurch ein überdimensioniertes Ganzes in menschlich kleine Portionen zerlegt werden kann.
Urs Heinz Aerni hat gewissermaßen eine eigene Literaturform erfunden. Es handelt sich dabei um einen essayistischen Kurzimpuls, der verlässlich in einen Buchtipp mündet. "Wann immer der Vortragende vorne den Mund aufmacht, kommt hinten ein Buch heraus", lachen die Kenner seiner Vorgehensweise.

Öffentliches Telefonieren, Gespräche bei einer Zugspanne, Orientierungslosigkeit in einer Großbuchhandlung, Nebenbemerkungen zu einem Jazzabend oder Suche nach einem verlorenen Buchstaben: Eine Begebenheit kann im Sinne Robert Walsers nicht klein genug sein, dass sich nicht daraus jene feine Stimmung komponieren ließe, mit der im Herbst ein Blatt zu Boden segelt. Diese "Verniedlichungsmethode" hat den Vorteil, dass auch große Unglücke dadurch erträglich werden und Menschen unterschiedlichsten Charakters miteinander ins Gespräch kommen. Denn sollte der Diskurs nicht in Gang kommen, ist bei der Kleinheit des Themas nichts verloren.
Mit diesem Denkansatz unterscheidet sich der Autor vehement von den germanistischen Großanalysten, die immer erst eine Stunde Lang Hegel oder Heidegger zitieren, ehe dann daraus ein Sprachproblem herausgefiltert wird, dass verlässlich nichts mit der Menschheit zu tun hat.

Innsbruck kommt durch diese Zuneigung des Büchernarren zu einer Würdigung, die seiner intellektuellen Größe entspricht. Der Autor zitiert nämlich: "Soeben komme ich zurück aus Innsbruck!" (40) Dann hört man nichts mehr von der Stadt. Es wirkt, als sei der Autor froh, daraus entflohen zu sein, um wieder etwas Vernünftiges denken zu können. "Digitales Grüßen" etwa, mit passendem Buchtipp.
An seine Grenzen kommt der Schweizer Allrounder freilich, als er dem Witz etwas Positives abgewinnen soll. Ein Buch namens "Soll das ein Witz sein?" bringt Aerni an den Rand des Gelächters. Er versucht, den Witz für die Schweiz zu retten, indem er ihn zur Kunst erklärt. (87)
In einem Bonus-Track gibt es Ausschnitte aus früheren Archiven. Als ob Archive nicht immer früher angelegt sein müssten, die Zukunftsarchive wären nämlich für die Literaturbranche ziemlich harte Kost. Aus der Vergangenheit werden einige Interviews hervorgeholt, worin die  längst verstummten Autoren um die Jahrhundertwende herum noch einmal eine Stimme kriegen, ehe dann der hintere Buchdeckel kommt und alles verstummen lässt.

Aerni: So sitze ich nun mit zwei Dinosauriern hier am Tisch.

Thomas Hettche: Dass Sie hier so ein Gespräch aufzeichnen, das länger als zwei Minuten dauert, qualifiziert Sie auch als Dinosaurier. (135)

Schreiben als Verlangsamung des Lebens!

Und die finale Erkenntnis des Urs Heinz Aerni: Bücher, die nicht gelesen werden, sind so, wie wenn sie nicht da wären. 

 

Helmuth Schönauer 22/08/20